Architektur und Denkmalschutz

Ohne Nutzung kann ein Baudenkmal nur im Ausnahmefall erhalten werden. Für die meisten Gebäude bedeutet der Verlust einer Nutzung das Ende der Instandhaltung und damit der Niedergang. Läuft die bisherige Nutzung also aus, so ist eine neue Verwendung anzustreben, unter Berücksichtigung an einen baulichen Rahmen, damit die Neunutzung funktionieren kann. Wirtschaftlich begründete oder kulturell motivierte Weiterverwendung vorhandener Bausubstanz.

 

Die Unterscheidung dieser sehr verschiedenen Erhaltungsmotive ist sehr wichtig, weil aus ihnen grundsätzliche Bewertungsmassstäbe und Verhaltensweisen resultieren. Ersteres ist ein bisschen salopp ausgedrückt Recycling und das zweite lässt sich mit Denkmalpflege verbinden.


Recycling ist an der technischen Verwertbarkeit der Restsubstanz interessiert, also primär wirtschaftlich orientiert, ist ein Umbau für den vorgesehenen Zweck billiger oder ein Abbruch und Neubau. Dabei ist die Frage zu beantworten, inwieweit sich die Altbausubstanz für die neue Nutzung überhaupt eignet und welche Bindungen und Zwänge die Bauherrschaft durch die Übernahme von vorgefundenen Baustrukturen zu akzeptieren bereit ist. Rechnet man zu den Neubaukosten auch den Abbruch, Entsorgung der Abfallstoffe, den Energieverbrauch und die Schadstoffbelastung für die Gewinnung und Verarbeitung neuer Baustoffe und deren Transporte, rechnet sich in den allermeisten Fällen ein Recycling.

 

Kulturell motivierte Weiterverwendung ist Denkmalpflege als Erhaltungsmotiv, basierend auf der überkommenen Struktur. Hier geht es um die Sichtbarmachung des Neuen und das Ablesbarmachen des Altbaus. Denkmalpflege ist am Zeugniswert interessiert und dieser ist von originaler Substanz abhängig. Für den Fortbestand antiker Bausubstanz ist es zwingend notwendig ein Nutzungsprojekt, zwar Zweitrangig aber auch unter wirtschaftlichem Aspekt, zu haben. Bei einem Baudenkmal muss das Verhältnis von kultureller Bedeutung und unrentierlicher Belastung der Bauherrschaft in einem sinnvollen Verhältnis stehen, ohne den Zeugniswert des Denkmals unvertretbar zu vermindern.

 

Umbauen als Bauaufgabe war über lange Phasen der Baugeschichte eine Selbstverständlichkeit. Ob Altbausubstanz weiterverwendet oder ausgekernt oder abgerissen wird, hängt ab von Bewertungen, die zeitgeistbedingt bisweilen sehr unterschiedlich ausfallen. Meistens entscheidet die Grundhaltung der Architekten für oder gegen die Nutzung alter Bausubstanz. So verschwindet nach wie vor Jahr für Jahr in der ganzen Schweiz qualitätsvolle Altbausubstanz, sogar ohne den Nachweis besserer Rentabilität. Nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass sich die Beseitigung der in Jahrhunderten gewachsenen Gebäudesubstanz und die in kurzer Zeit erfolgte Neubebauung zu einem Verlust an Unverwechselbarkeit und Vielfalt führt. Die in der Folge grosse Zuwendung zu historisierenden Neubauten kann diesen Verlust nicht wettmachen. Ein Altbau wird immer aus seiner Bedeutung für die Gegenwart bewertet.

 

Denkmalgruppen wie zum Beispiel Altstadt- oder Bauernhäuser, also bescheidene Werke der Volkskunst, die niemals zum Zweck errichtet wurden, Denkmale zu sein, erhalten nun einen höheren Stellenwert.
Die grundsätzlichen Ziele der Denkmalpflege, Originale aller Kulturbereiche für künftige Generationen zu erhalten und zu pflegen, sind in weiten Kreisen der Bevölkerung im Grundsatz nicht bestritten. Auseinandersetzungen bleiben in der Praxis aber nicht aus, wenn im konkreten Einzelfall um den richtigen Weg oder die Grenzen der Denkmalpflege gestritten wird.

 

Spätestens dann wird allen Betroffenen bewusst, dass Denkmalschutz nicht subjektives ästhetisches Empfinden, sondern nüchternes Verwaltungsrecht ist. Dies bedeutet ein Kampf gegen kulissenhafte, modeabhängige und inhaltslose Nostalgie, sowie gegen überhebliche und leichtfertige Vernichtung der Leistungen unserer Vorfahren.

 
Qualifizierte Beratung kann nur auf der Grundlage nachprüfbarer Erkenntnisse erfolgen. Hier gehörten neben einem soliden Grundlagenwissen über historische Baukonstruktionen, auch Informationen über den Bestand geeigneter Verfahren. Neben dem Faktenwissen, das sowohl die Erfahrung am Objekt, als auch die Kenntnis über den aktuellen Stand der Forschung voraussetzt, wird insbesondere Methodenwissen benötigt. Der Architekt ist mit der Tatsache konfrontiert, dass er einen umgekehrten Entwurfsprozess zu konzipieren hat, bei dem eine grosse Fülle von Details bereits vorhanden und so strukturiert zu erfassen sind, dass diese zu einem späteren Zeitpunkt als Parameter in den eigentlichen Entwurfsprozess eingeführt werden können. Dieser ungewohnte Vorgang verleitet Architekten oftmals dazu, prophylaktisch den Bau auszukernen, um die Komplexität eines Gebäudes soweit zu reduzieren, dass auf gewohnten Methoden des Neubauentwurfs zurückgegriffen werden kann und somit die Detailfülle überschaubar wird. Gebäudeeigenschaften wie Grundriss, Erschliessungsgegebenheit, Raumhöhen, Befensterung etc. sind nur teilweise sinnvoll oder kostenbewusst veränderbar, stellen einerseits Bindungen, andererseits aber auch Potentiale dar. Gerade diese oft überraschenden Möglichkeiten, die sich durch vorhandene Baustruktur ergeben können, tragen wesentlich zur Attraktivität renovierter Altbauten bei.

 

D. Robert